Ist es wichtig, wer es sagt?
Über die Aufmerksamkeit für Autoren und Themen
Bloggender Papa trifft ’nen Nerv
Letzte Woche hat Steffen Pelz an dem letzten Krankheitsbeispiel seines Sohnes aufgezeigt, warum das System des Krankengelds bei „Kind krank“ völlig absurd ist. Oder wie Einhalb ihr neues Lieblingswort einbringen würde „hirnrissig“ (ich glaube, sie fährt zu oft mit Opa im Auto). Der Artikel hat ziemlich schnell Wellen geschlagen. Er wurde oft geteilt und bisher schon über 400 mal kommentiert (Stand Abend des 29.Oktober). Den ganzen Artikel könnt ihr hier nachlesen. Am nächsten Tag kommt eine Ergänzung aus der Sicht einer Alleinerziehenden von Petra bei Allerlei Themen. Ihr Artikel hat bisher übrigens acht Kommentare, von denen einige die Autorin heftig angehen. (Der Vollständigkeit halber muss man sagen, dass Steffen allerdings auch die Twitterdiskussionen in seiner Kommentarspalte abbildet, Petra nicht).
Petras Artikel wurde von Frau Naijn auf Twitter wie folgt geteilt:
puh ich hatte schon Angst ich müsste das Original von dem feministischen Vater RT, so is besser https://t.co/693EaYhOpj
— Momster (@frau_naijn) October 28, 2016
Und schon war die Diskussion in Gang, ob es denn nicht egal sei, wer die Artikel schreibe, so lange der Text einen Finger in die Wunde legt. Im ersten Moment saß ich vor dem Rechner und nickte ganz heftig mit dem Kopf. Aber dann warf Melanie das Wort der „Aufmerksamkeitsökonimie“ in den Raum (keine Ahnung, wie sie das in 140 Zeichen schafft, sie tut es einfach). Und da stand ich nun …
Prestige und Prominenz, Reputation und Ruhm
Weil wir jetzt schon fast an der magischen 300 Wort Grenze sind und ich euch nicht langweilen möchte: Stark verkürzt geht die Ökonomie der Aufmerksamkeit davon aus, nicht mehr der Zugang zu Informationen sei begrenzt, sondern nur noch unsere Aufmerksamkeit. Eltern kennen das – aber zurück zum Thema. Bei begrenzter Aufmerksamkeit werden die vier oben genannten Begriffe wichtig: Sie sind nämlich die Faktoren, was unsere Aufmerksamkeit steuern.

Frauen in Machtpositionen haben Vorbildfunktion – hoffentlich mehr als nur modische.
Applaus, Applaus – oder lieber doch nicht?
Es gibt aber noch einen zweiten Aspekt: Väter bekommen immer noch mehr (positive) Aufmerksamkeit für Eltern-Dinge als Mütter. Um den ausgelutschten Klassiker zu bringen stellen wir uns nun alle kurz die gängigen Reaktionen gegenüber einer Mutter und einem Vater vor, die je sechs Monate Elternzeit nehmen. Ihr merkt, worauf ich hinaus will, oder?
Gerade am Anfang unseres Blogs konnten wir feststellen, dass Olli viel mehr Kommentare, Ermunterungen und Anerkennung für den Blogstart kriegte, als ich. Seine Artikel werden im übrigen auch immer noch schneller geklickt als meine.

Ein ähnliches Geschlechterverhältnis bei FB: Bei 265 Halbe Sachen-Fans und über 1.400 Jochen König-Fans.
Erziehung bleibt weiblich
Eigentlich bin ich angetreten, die in der Überschrift gestellte Frage zu verneinen. Die Argumentation wäre in etwa so verlaufen, dass es wichtig ist DASS Familien gehört werden. Das die vielfältigen Probleme, mit denen Familien sich auf so vielen Ebenen konfrontiert sehen, gehört werden. Wenn es nun mal dazu weiße, mittelalte Männer braucht – bitte.
Wie oben schon erwähnt, haben Männer aufgrund „gesellschaftlicher Umstände“ Frauen gegenüber noch immer einen Vorsprung. Wenn sie wollten, könnten sie sich sehr gut verschanzen, gegen die doofen Emanzen, die auf einmal auch Teile vom Kuchen haben wollen und plötzlich behaupten, sie seien gar nicht per se besser auf dieses Elterndingend vorbereitet. Wenn sie allerdings auch „aus den eigenen Reihen“ attackiert werden, wird es bedeutend schwerer.
Lasst uns doch die zusätzlichen Männer-Stimmen als Trittleiter nutzen: Hauptsache, wir müssen nicht noch weitere Jahrzehnte warten, bis sich wirklich etwas ändert. Ich erinnere mich, dass ich in meinem jugendlichen Leichtsinn – so etwa mit 16/17 Jahren – meiner Mutter vorwarf, sie solle jetzt mal aufhören mit ihrem feministischen Quatsch zu nerven. Ich könne es nicht mehr hören und überhaupt, braucht das heute keine mehr. 20 Jahre später sehe ich das allerdings etwas anders.
Wenn sich jetzt also überwiegend Frauen im Netz mit Erziehungsfragen beschäftigen und scharenweise die sichtbaren Leuchtturm-Väter dafür feiern, dass sie Elternzeit nehmen, den Müll rausbringen und sich frei nehmen, wenn die Kinder krank sind – ändert das was? Außer Ruhm, Reputation, Prestige und Prominenz eben dieser Leuchtturm-Väter? Was wiederum mehr der immer knapper werdenden Aufmerksamkeit auf sich zieht.
So ein Facebook-Like ist schnell geklickt, auch ein Artikel ist schnell geteilt. Aber wirklich gesellschaftlich etwas ändern tut sich doch erst, wenn die Frauen scharenweise ihren Männern sagen:
Ins Wasser fällt ein Stein
Trotzdem bleibe ich bei dem Schluss, dass die von mir so despektierlich benannten Leuchtturm-Väter gut sind. Denn jede Familie, die ihren Weg sucht, jeder (werdende) Vater, der überlegt wie das Vater-sein wohl sein wird, jede Frau, die aus ihrem direktem Umfeld in eine Richtung gedrängt wird, in die sie eigentlich nicht will – all diese Menschen, finden hoffentlich Anregung, Unterstützung und Zuspruch im Netz. Von anderen Menschen, die diesen Weg schon vor ihnen gegangen sind.
Gesellschaftlicher Wandel passiert nicht von heute auf morgen. Er braucht Zeit und muss wachsen. Aber Texte können Veränderungen bewirken. Daran glaube ich! Ganz genau wie in dem Lied: Ins Wasser fällt ein Stein, ganz heimlich, still und leise, und ist er noch so klein, er zieht doch weite Kreise.
Ich wünsche mir ein miteinander Einstehen für Themen. Daher werde ich auch zukünftig Artikel männlicher Autoren liken, kommentieren und teilen, wenn ich sie wichtig finde. Für das richtige Thema bin ich gern einer dieser weiten Kreise.
Sollte sich allerdings irgendein Papa öffentlich dafür feiern, dass er das Baby in aller Herrgottsfrühe zwei Stunden durch den Park geschoben hat, damit die Mama noch schlafen kann – dann klicke ich einfach stumm weiter. Und hoffe, dass es immer mehr (Frauen) mir gleich tun.
Eure Jette
Wie seht ihr das? Welche Rolle spielt das Geschlecht des Autors für die Aufmerksamkeit für einen Text? Kann es den Frauen eher nützen oder schaden, wenn sich Väter für „klassische Frauenthemen“ einsetzen? Ich bin sehr gespannt.
Ach, und falls ihr noch was an dem Geschlechter-Verhältnis unserer Facebook-Seite ändern oder es festigen wollt: Bitte klickt diesen formschönen Link an.
Mehr zur Aufmerksamkeistsökonomie könnt ihr übrigens in diesem etwas älterem Artikel speziell fürs Netz nachlesen.
*Eine frühere Version behauptete, der Artikel sei von ihrem Mann geschrieben worden.
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